The text at issue written by Otto Leichter for his wife from September 1938 to August 1939 in his Exile in Paris is a unique documentation of the inside view of the loss of a beloved person during the time of one year. In addition to that the diary in letters is of great historic and social importance because both, the writer and the addressee were important persons in Austrian history, who were threatened as Social Democrats and by the race laws of Nuremberg as Jews.In the diary in letters Otto Leichter reported about his living conditions in the exile in Paris. Different to papers which were written for a greater group of readers, the author did not have to show consideration for other people. He could write down his real opinions and estimations but also his needs and aversions. So Otto Leichter reported about himself, his social surroundings, his view of the political development but also about Käthe Leichter and his relationship to her but also about her frame of mind in view of the various reprisals. We can see continuity as his longing for her, his hope for a reunion and his keen mind in political interests. But we also see the break in his relationship to political companions and the great loss of his trust in European politics. In addition to that we can observe how Otto Leichter vacillated between very realistic political analyses and the resulting despair and his desperately cling to the hope for reunion.His manifold description of problems caused by the separation is firstly a documentation of suffer, but it also marks the strong connection between the two partners. Otto Leichter lost his closest reliable person, the mother of his children, his sexual partner and his most important political companion, and he suffered very hard on the separation.Käthe Leichter, the real addressee could not ever see these words (she was murdered at concentration camp in 1942), but the diary in letters is a really extraordinary source for historical research, that should be available for a greater number of readers as scientific edition.
Der vorliegende Text, den Otto Leichter von September 1938 - August 1939 im Pariser Exil für seine damalige Ehefrau verfasste, dokumentiert auf einzigartige Weise die Innenansicht des Verlustes eines geliebten Menschen über den Zeitraum von einem Jahr. Zusätzlich erhält dieses Brieftagebuch noch dadurch besondere historische und gesellschaftliche Relevanz, da es sich beim Schreiber und bei der Adressatin dieses Textes um zwei bekannte Persönlichkeiten der österreichischen Geschichte handelt, die beide als Sozialdemokraten und nach den Nürnberger Rassegesetzen auch als Juden bedroht waren. Otto Leichter berichtete im Brieftagebuch auf sehr persönliche Weise über seine Lebensumstände als Exilant in Paris. Anders als in Texten, die einer größeren Gruppe von Menschen zugänglich waren, brauchte der Autor hier überhaupt keine Rücksicht auf die Öffentlichkeit oder auf die Verletzlichkeit von ihm nahestehenden Personen zu machen; er konnte seinen Ansichten, Einschätzungen, aber auch seinen Nöten und Abneigungen ungeschminkt Ausdruck verleihen. Otto Leichter schrieb über sich, seinen sozialen Umraum, seine Sicht der politischen Entwicklung, und auch über Käthe Leichter und seine Beziehung zu ihr, und auch immer wieder über ihre Verfassung angesichts der vielfältigen Repressalien. Wir betrachten Kontinuitäten, wie seine ungebrochene Sehnsucht nach ihr, seine Hoffnung auf ein Wiedersehen und seinen politischen Scharfsinn. Wir sehen aber auch die Brüche in den Beziehungen zu politischen Weggefährten und den großen Verlust des Vertrauens in die europäischen Politik insgesamt. Weiters können wir in diesen Aufzeichnungen beobachten, wie Otto Leichter zwischen sehr realistischen politischen Analysen, der daraus resultierenden Verzweiflung, und dem krampfhaften Festhalten an der Hoffnung auf ein Wiedersehen mit seiner Frau schwankte. Seine vielfältigen Schilderungen der Probleme, die ihm die Trennung verursachte, sind natürlich in erster Linie eine Dokumentation des Leidens, sie markieren aber auch die starke Verbundenheit zwischen den auseinandergerissenen Ehepartnern. Otto Leichter war seiner engsten Vertrauensperson, der Mutter seiner Kinder, der Sexualpartnerin und auch einer seiner wichtigsten politischen Weggefährtinnen beraubt, und litt sehr schwer unter der Trennung. Käthe Leichter, die eigentliche Adressatin sollte diesen Text nie zu Gesicht bekommen (sie wurde 1942 im KZ ermordet), aber für die Geschichtswissenschaft stellt das Brieftagebuch eine ganz außerordentliche Quelle dar, die auf jeden Fall einer größeren Zahl von Lesern als kommentierte wissenschaftliche Edition zur Verfügung gestellt werden sollte.