"Schönheit gibt es nur noch im Kampf" - Zum Verhältnis von Gewalt und Ästhetik im italienischen Futurismus
Henrike Hans
"Schönheit gibt es nur noch im Kampf" - Zum Verhältnis von Gewalt und Ästhetik im italienischen Futurismus
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„Man schreit vor Angst und Entsetzen. Diese Bilder sind das Innerste, Erschütterndste, Grandioseste, Unfaßbarste, das seit Menschengedenken gemacht worden ist.“ Der Künstler Hugo Ball (1886–1927) zeigte sich 1913 nach seinem Besuch des Kunstsalons Emil Richter in Dresden wahrhaft überwältigt angesichts der dort ausgestellten Gemälde der Futuristen. Auch andernorts riefen die Künstler Umberto Boccioni, Carlo Carrà, Giacomo Balla, Luigi Russolo und Gino Severini teils heftige Reaktionen hervor. Gegründet wurde die italienische Avantgardebewegung 1909 mit der Veröffentlichung des Manifests Le Futurisme durch den Dichter Filippo Tommaso Marinetti. In der darin aufgestellten Behauptung „Schönheit gibt es nur noch im Kampf. Ein Werk ohne aggressiven Charakter kann kein Meisterwerk sein“ wird Gewalt als ideologische Basis der Bewegung bekundet. War die ganzheitliche Erneuerung der Kunst und Kultur Italiens das Ziel der Futuristen, so teilten sie die Überzeugung, dass diese nur auf der (ideellen) Zerstörung tradierter kultureller und gesellschaftlicher Werte gründen könne. Die vorliegende Untersuchung geht dem Ursprung des Themas der Gewalt in den futuristischen Manifesten aus der Geisteshaltung des späten 19. Jahrhunderts nach und analysiert die Art und Weise, wie die futuristischen Künstler das Thema der Gewalt auf ihre bildlichen Werke übertrugen. Reaktionen von Betrachtern wie Hugo Ball werden herangezogen, um zu untersuchen, inwiefern die Kunst im Futurismus als Kommunikationsmittel gesellschaftlicher Forderungen und ästhetischer Inhalte der futuristischen Ideologie eingesetzt wurde.

„Man schreit vor Angst und Entsetzen. Diese Bilder sind das Innerste, Erschütterndste, Grandioseste, Unfaßbarste, das seit Menschengedenken gemacht worden ist.“ Der Künstler Hugo Ball (1886–1927) zeigte sich 1913 nach seinem Besuch des Kunstsalons Emil Richter in Dresden wahrhaft überwältigt angesichts der dort ausgestellten Gemälde der Futuristen. Auch andernorts riefen die Künstler Umberto Boccioni, Carlo Carrà, Giacomo Balla, Luigi Russolo und Gino Severini teils heftige Reaktionen hervor. Gegründet wurde die italienische Avantgardebewegung 1909 mit der Veröffentlichung des Manifests Le Futurisme durch den Dichter Filippo Tommaso Marinetti. In der darin aufgestellten Behauptung „Schönheit gibt es nur noch im Kampf. Ein Werk ohne aggressiven Charakter kann kein Meisterwerk sein“ wird Gewalt als ideologische Basis der Bewegung bekundet. War die ganzheitliche Erneuerung der Kunst und Kultur Italiens das Ziel der Futuristen, so teilten sie die Überzeugung, dass diese nur auf der (ideellen) Zerstörung tradierter kultureller und gesellschaftlicher Werte gründen könne. Die vorliegende Untersuchung geht dem Ursprung des Themas der Gewalt in den futuristischen Manifesten aus der Geisteshaltung des späten 19. Jahrhunderts nach und analysiert die Art und Weise, wie die futuristischen Künstler das Thema der Gewalt auf ihre bildlichen Werke übertrugen. Reaktionen von Betrachtern wie Hugo Ball werden herangezogen, um zu untersuchen, inwiefern die Kunst im Futurismus als Kommunikationsmittel gesellschaftlicher Forderungen und ästhetischer Inhalte der futuristischen Ideologie eingesetzt wurde.

Language
German
ISBN
978-3-86395-242-6
Hans_Diss_book_160209.pdf
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Einleitung
Fragestellung
Forschungsstand
Aufbau und Methode
2. Formen der Gewalt in Geschichte, Philosophie und Kunst
2.1. Gewalt: Historische, soziale und mediale Betrachtung
Zur Problematik des Gewaltbegriffs
Zur Geschichte der Gewalt
Ansätze der psychologischen Forschung zur Erklärung des Gewaltphänomens
Medialer Gewaltkonsum
2.2. Philosophische Grundlagen zur Gewaltdiskussion
2.2.1. Gewalt und Hässlichkeit
Zum Werk von Karl Rosenkranz
2.2.2. Das Sublime
2.2.3. Nietzsches Kunsttheorie
2.3. Vor-Bilder: Gewalt in der Kunst
Kriegsdarstellungen von der Renaissance bis in das 19. Jahrhundert
2.4. Zwischenfazit: Die mediale Transformation von Gewalt in Philosophie und Kunst
3. Die Gründung des Futurismus: Der Gewaltbegriff in den futuristischen Manifesten von 1909 bis 1914
3.1. Zur Lage Italiens in den Vorkriegsjahren
Politische, wirtschaftliche und soziale Lebensbedingungen
Naturwissenschaftliche Entdeckungen
Medien, Kunst und Kultur
3.2. Le Futurisme: Marinetti und die Kunst der Zerstörung
3.2.1. Technischer Fortschritt und der Wille zur Macht
Die Textform des Manifests
3.2.2. Die ideologische Basis des Gründungsmanifests
Die Lebensphilosophie Henri Bergsons
Marinetti und Nietzsche
Georges Sorels Konzept der proletarischen Gewalt
3.3. Manifesto dei Pittori futuristi
3.4. Manifesto tecnico und Boccionis Pittura Scultura futuriste
3.4.1. Das Sujet und die Formensprache der futuristischen Kunst
Figuration und Abstraktion
3.4.2. Das Licht und die Atmosphäre
3.4.3. Dynamismus und Simultaneität
3.4.4. Gemütszustände und Emotionen
Der Betrachter
3.4.5. Durchdringung der Ebenen, Kontinuität und Kraft-Linien
3.4.6. Der Gewaltgestus
3.5. Die futuristischen serate
3.6. Futurismus und politische Gewalt
3.7. Zwischenfazit
3.7.1. Mobilisierung und Agitation als künstlerische Stilmittel
3.7.2. Das innovative Potenzial der Gewaltforderung
3.7.3. Der Neue Mensch
3.7.4. Futurismus und Nekrophilie
4. Die künstlerische Dimension: Gewalt und Aggression als ästhetische Prinzipien
4.1. Entgrenzungsphantasien der Künstler prefuturiste
4.2. Werke von 1910/12 – Aufstand und Revolte
4.2.1. Der Beginn der futuristischen Malerei
4.2.2. Eine Schlägerei als soziales Event – Umberto Boccioni: Baruffa und Rissa in Galleria
4.2.3. Die Kraft der Stadt – Umberto Boccioni: La città che sale
4.2.4. Die Verarbeitung persönlicher Erlebnisse – Carlo Carrà: I funerali dell’anarchico Galli
4.2.5. Linker Widerstand – Luigi Russolo: La rivolta
4.2.6. Verständnis und malerische Umsetzung futuristischer Gewalt
4.3. Das Jahr 1913 – Wendepunkt in der futuristischen Kunst
4.3.1. Entwicklungen im Futurismus 1913
4.3.2. Umberto Boccionis neue Menschen: Corpo umano
4.3.3. Gino Severini: Ritmo plastico del 14 luglio
4.3.4. Ein Automobil als Gewehrkugel? Giacomo Balla: Velocità d’automobile und Luigi Russolo: Dinamismo di un automobile
4.3.5. Künstlerische Umbrüche 1913
4.4. Agitation und Kriegskunst 1914/15
4.4.1. Interventionismus – Umbruch in der Ästhetik
4.4.2. Die Macht der Worte – Carlo Carrà: Festa patriottica
4.4.3. Krieg oder Revolution – Carlo Carrà: Guerrapittura
4.4.4. Umberto Boccioni: Carica di lancieri
4.4.5. Gino Severinis Serie der Kriegseindrücke
4.4.6. Die futuristische Kunst zu Beginn des Ersten Weltkrieges
4.5. Destruktion und Krise des Futurismus 1915/16
4.5.1. Das Ende des Ersten Futurismus
4.5.2. Giacomo Ballas Manifestationen zum Interventionismus
4.5.3. Giacomo Balla: Il pugno di Boccioni
4.6. Zwischenfazit
4.6.1. Der Kampf – eine ikonografische Kontextualisierung
4.6.2. Das Reitermotiv
4.6.3. Die Wechselwirkung von Abstraktion und Gegenständlichkeit
4.6.4. Die Collage als Mittel der Realitätssteigerung
4.6.5. Die parole in libertà im futuristischen Bild
5. Aggressive Maschinen – Der Futurismus nach 1915
5.1. Ricostruzione futurista dell’universo. Strukturelle und personelle Veränderungen
5.2. Fortunato Depero und Enrico Prampolini
5.3. Futuristische Aeropittura
5.4. Futurismus und Faschismus
6. Zusammenfassung der Ergebnisse
6.1. Gewalt in den futuristischen Manifesten als Reaktion auf gesellschaftliche Prozesse
6.2. Die Umsetzung der Gewaltforderung in der futuristischen Kunst
6.3. Die Futuristen und das Sublime
Das Spannungsmoment
Die Verwandlung des Betrachters
6.4. Gesellschaftliche Bedingungen für die arte guerra: Futuristische Gewaltbilder als moderne Geschichtsmalerei?
7. Schlussbetrachtung
A. Quellen- und Literaturverzeichnis
I. Texte der Futuristen
II. Monografien und Aufsätze
III. Ausstellungskataloge (Kat. Ausst.)
B. Abbildungsverzeichnis
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