Zwischen Authentizität und Fiktion
Werner Stangl
Zwischen Authentizität und Fiktion
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The main focus of this study is a methodological analysis of private letters written by Spanish emigrants from the Americas to their relatives and friends back in Europe, with an intensive discussion about the interaction and blurring between the public and the private spheres in private correspondences, kept and preserved in a public space (the archive). Questions of source criticism and a detailed assessment of the scientific production on the topics of letter writing and private correspondences in general, and emigrant-letters, specially, constitute the first part of the study. Emigrant letters from the colonial period can be found in a wide array of archival sources. Private archives of noble families, merchant houses and merchant institutions often hold large vaults of correspondence of some prominent member, but also public archives in Spain provides several types of documents containing private letters: notarial records and files from court cases do contain a good number of letters. A very important source for Spanish emigrant letters, because they were written by the greatest number of different letter writers, stem from solicitations for emigration licences, which were required by Spanish subjects in order to legally cross the Atlantic Ocean. Depending on the varying contexts of their archiving, the analysis of the letters' contents requires different methods and peculiar precautions and aspects have to be reflected to reach an acceptable degree of hermeneutical understanding of each single text. The private and intimate, innate to the form of private or familiar letters as a genre, stand in a fascinating contrast to the manifold public contexts present from the production of the letter itself, to the transport, reshipment, lecture, all the way to its archiving (and lecture by the modern scholar). The central corpus of analysis are the mentioned letters from emigration solicitudes, commonly called cartas de llamada or recruitment letters. With their help, hopeful solicitors tried to prove that their husbands wanted them in order to reunite in their new home, or that a relative (quite often an uncle or cousin) wanted them to come and had work to offer. Letters of this type were also the basis of the most important existing edition of emigrant letters by Enrique Otte from 1988, a work which is generally considered the spark that triggered interest in such letters as historical sources within the historiography of Spanish America. His work, which was limited to the years 1540-1614, was followed by several other editions of emigrant letters, some of them also using cartas de llamada. However, none of these editions offered a systematical comparison of the existing editions or tried to exhaustively identify the archival series containing such letters. Most editions also made very limited use of the documents surrounding the letters in the solicitudes. Last - but not least - one has to state a complete chaos concerning the practice and standards for the edition of the original documents, which differ considerably - methodologically and qualitatively. This study, thus, also makes an effort to develop a solid basis for possible future editions. Searching in the Archivo General de Indias in Seville, 1213 hitherto unknown and unpublished letters could be added to the 1017 cartas de llamada already published in other editions. This study analysis this closed corpus quantitatively in demographic and temporal-spatial aspects and qualitatively tries to answer question about the use of the letters in the keeping-up of familiar ties and organization of chain-emigration. Special attention is also given to the communicative behaviour of the emigrants, which is studied both qualitatively - by taking a look at the strategies employed to secure the transoceanic contact despite the many obstacles like wars, shipwrecking, and lack of infrastructure - and quantitatively - by comparing the time needed for full circuits of correspondence, frequency of letter writing, etc.

Hauptsächliches Interesse dieser Arbeit ist eine methodologische Analyse aus quellenkritischer Sicht von Privatbriefen spanischer Emigranten, die diese aus Amerika an ihre Freunde und Verwandten in Europa schickten, sowie eine detaillierte Kritik der bisherigen wissenschaftlichen Beiträge zu diesem Thema. Dabei stehen besonders das Verhältnis und die verwaschenen Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, zwischen authentischem, intimem Seelenspiegel und sorgsam inszeniertem Instrument im Vordergrund. Emigrantenbriefe sind aus einer großen Bandbreite verschiedenster archivarischer Bestände auf uns gekommen: aus Privatarchiven des Adels und bekannter Persönlichkeiten, aus Archiven von Handelshäusern und Handelsinstitutionen, in Notariatsakten, Gerichtsakten, sowie in besonders großer Zahl im Rahmen von Anträgen auf Lizenzen zur Überfahrt nach Las Indias. Je nach Art des archivarischen Zusammenhangs weisen diese Privatbriefe unterschiedliche Qualitäten auf, die bestimmter methodologischer Zugangsweisen bedürfen und unterschiedliche Aussagen zulassen. Besonders interessant ist dabei das komplexe Verhältnis zwischen Privatheit und verschiedensten Formen der Öffentlichkeit, sei es bereits bei der Entstehung der Briefe, sei es der schleichende Übergang individueller Briefe zu standardisierten Schriftstücken für bestimmte Zwecke oder Prozesse von Selektion, je nachdem, aus welchem Grund die Briefe archiviert wurden - das Archiv allein macht bereits aus dem intimsten Privatbrief etwas Öffentliches. Besonders die öffentliche Verwendung von Briefen in einem Gerichtsakt der Inquisition hat sich diesbezüglich als sehr aufschlussreich herausgestellt Im Speziellen wird ein Bestand von Briefen vollständig aufgearbeitet, der zu den bekanntesten privaten Emigrantenbriefen des kolonialen Hispanoamerika gehört: die sogenannten cartas de llamada oder Anwerbebriefe. Mit Hilfe dieser Briefe wiesen die Antragsteller und Antragstellerinnen nach, dass ihr Ehegatte sie zu sich rief oder ein Verwandter für ihr wirtschaftliches und soziales Fortkommen sorgen würde. Briefe dieser Art waren die Grundlage der wichtigsten einschlägigen Briefedition von Enrique Otte Ende der 1980er-Jahre, die das Interesse an dieser Quelle in der hispanoamerikanistischen Geschichtsforschung entscheidend beeinflusste. Mehrere weitere Briefeditionen folgten. Allerdings wurden die Bestände an cartas de llamada nicht systematisch aufgearbeitet und das sie umgebende Dokumentmaterial (Lizenzanträge) sowie die zum Verständnis notwendigen die legalen Bestimmungen zur Emigration nicht konsequent in die Analyse eingebunden. Desweiteren herrscht in der Editionspraxis ein regelrechtes Chaos, was die Standards bei der Transkription der Originaldokumente betrifft, sodass der Versuch unternommen wurde, eine solide und auch für weitere Editionen tragfähige Vorgangsweise zu entwickeln. Als Quellenmaterial wurden die entsprechenden Bestände im Archivo General de Indias systematisch durchsucht. Dabei konnten zahlreiche Angaben zu bereits edierten Briefen berichtigt werden und 1213 zuvor unedierte Briefe wurden transkribiert. Das so gesammelte Material wurde sowohl quantitativ nach demographischen und räumlichen Mustern untersucht, als auch hinsichtlich inhaltlicher Aussagen zu verschiedenen Aspekten historischen Interesses ausgewertet. Einen privilegierten Rang unter diesen untersuchten Elementen nahm das Kommunikationsverhalten der Emigranten selbst ein: Briefumlaufzeiten, Frequenz der Kommunikation, Postwege, Transportmittel und Strategien, um ungeachtet von Kommunikationshürden (Schiffbrüche, Kriege, schlechte Infrastruktur…) den Kontakt zur Alten Welt aufrecht zu erhalten.

Language
German
ISBN
978-3-412-20887-5
Werner Stangl: Zwischen Authentizität und Fiktion Die private Korrespondenz spanischer Emigranten aus Amerika, 1492–1824
Impressum
Cover
Backcover
ISBN 978-3-412-20887-5 Web-Link zur Buchdetailseite der Printausgabe
1 Einleitung
2 Der Brief: Medium zwischen Kommunikation und Manipulation, Authentizität und Fiktion
3 Spanien und Amerika: Eine Begegnung in Briefen
3.1 Formen transatlantischer Briefe und Korrespondenz
3.2 Hermeneutik der Briefe und Korrespondenzen
3.2.1 Der Brief als juristisch relevantes Dokument, oder: Der Fall Francisco Alberto
3.3 Was ist ein „privater Emigrantenbrief“?
3.3.1 Publizierte Privatbriefe spanischer Emigranten der Kolonialzeit
4 Die carta de llamada: Ein Privatbrief mit Einschränkungen
4.1 Das Procedere der Emigration
4.1.1 Die legale Emigration
4.1.2 Illegale Emigration
4.1.3 Die Beamten und die Briefe
4.2 Quantitative Analyse der Briefe
4.2.1 Briefschreiber und Anwerber
4.2.2 Briefempfänger und Emigranten
4.3 Die Edition von Briefen
4.3.1 Parameter der Briefedition
5 Inhaltliche Dimensionen der Briefe – Das Kommunikationsverhalten der Emigranten
5.1 Die Räume und die Verbindungen
5.1.1 Die äußeren Umstände
5.1.2 Erfahrungen und Strategien der Emigranten
5.1.3 Die Kosten der Beförderung
5.1.4 Dauer und Rhythmus der Kommunikation
5.2 Die Organisierung der Überfahrt
5.3 Soziale Kontrolle, Werte und Gemeinschaft
5.3.1 Reichweite und gemeinschaftliche Funktionen der Korrespondenz
6 Conclusio
7 Bibliographie
Anhang 1: Diverse Dokumente
Anhang 2: Transkriptionsvergleiche
Anhang 3: Corrigenda für Editionen von cartas de llamada
Anhang 4: Ausgewählte Briefe
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